Ariane 6: So läuft der Erstflug der neuen europäischen Rakete ab (2024)

Am Dienstagabend ist die neue europäische Rakete zum ersten Mal gestartet. Um 21 Uhr hat sie erfolgreich vom Weltraumbahnhof der Europäischen Weltraumagentur (ESA) in Kourou in Französisch-Guayana abgehoben. Mit ihr hat Europa nun wieder selbst die Möglichkeit, Satelliten, Sonden und andere Experimente ins Weltall zu bringen. «Wir schreiben heute Geschichte», sagte der ESA-Chef Josef Aschbacher in Kourou. «Heute ist ein grosser Tag, zum Feiern.»

In der Startphase seien wie vorgesehen mehrere Satelliten ausgeliefert worden. Der Flug endete allerdings nicht plangemäss. Am Ende sollte die obere Stufe auf dem Weg zurück zur Erde verglühen – und so unnötiger Weltraumschrott vermieden werden. Der Antrieb der oberen Stufe zündete zwar zunächst, konnte dann aber nicht wie vorgesehen wieder eingeschaltet werden. Das wäre aber nötig gewesen, um die letzten beiden Forschungsprojekte auszusetzen und die obere Stufe wieder in die Atmosphäre zu lenken.

Das Triebwerk der oberen Stufe – genannt Vinci – mehrmals zu zünden, war eine der Innovationen der Ariane 6. Damit kann sie Satelliten in verschiedenen Umlaufbahnen aussetzen. Zudem ist Vinci nötig, um den oberen Teil in der Rakete in die Atmosphäre zurückzulenken und unnötigen Weltraumschrott zu vermeiden. Nun verbleibt ein Rest der ersten Ariane 6 in der Umlaufbahn.

Der Chef des Raketenbauers Arianegroup, Martin Sion, sagte zu dem unplanmässigen Vorfall: «Das ist bedauerlich, aber das ist auch der Grund, weshalb wir eine technische Demonstration vornehmen, weil es Dinge gibt, die wir nicht am Boden testen können.» Mit der Testphase am Ende des Erstflugs habe man so viele Informationen wie möglich sammeln wollen. Was genau bei dem Jungfernflug passierte, wird nun untersucht.

Der Erstflug sollte im Idealfall wie folgt ablaufen:

Der Standort des Weltraumbahnhofs der Europäischen Weltraumagentur (ESA) liegt mitten im Urwald. Zwar mussten die Teile aufwendig dorthin verschifft werden, der Standort hat jedoch zwei Vorteile: Erstens liegt er nahe am Äquator. Fliegt die Rakete nach Osten, wird sie von der Erdrotation sozusagen geschleudert. Das spart Treibstoff. Zweitens liegt im Osten von Französisch-Guayana nichts ausser das offene Meer. Das ist sicherer, denn etwa die Hälfte der Erststarts von Raketen geht schief.

Die Ariane 6 ersetzt das Vorgängermodell Ariane 5, das vor einem Jahr seinen 117. und letzten Flug antrat. Seitdem musste Europa seine Satelliten von anderen in den Weltraum befördern lassen.

Eigentlich hätte die Ariane 6 schon 2020 fertig sein sollen. Der Start wurde aber immer wieder aufgeschoben, nicht zuletzt weil das Projekt komplizierter ist als nötig. Unternehmen aus 13 europäischen Ländern liefern Teile – die Ariane 6 ist für die beteiligten Länder auch ein Projekt zur Wirtschaftsförderung.

Vorgesehen war, dass die Rakete bei ihrem Jungfernflug 17 Nutzlasten ins All bringt. Transportiert wurden auf dem Erstflug nur kleinere Satelliten und Experimente. Die meisten sind sogenannte Cubesats. Sie sind die Schiffscontainer der Raumfahrt und können fast alles an Bord haben – die erste Ariane 6 sollte zum Beispiel einen 3-D-Drucker im All aussetzen.

Es sei eine grosse Überraschung, dass nur so wenig nicht funktioniert habe, sagt der unabhängige Raumfahrtexperte Martin Tajmar von der TU Dresden. Der gesamte Flug sei deshalb als «grosser Erfolg» einzuschätzen, denn 15 der 17 Nutzlasten seien an den richtigen Ort gebracht worden.

Im Gegensatz zu den Raketen von SpaceX und den neueren Raketen der Nasa kann nichts an der Ariane 6 wiederverwendet werden. Das ist einer der Gründe, warum die europäische Rakete voraussichtlich deutlich teurer sein wird als die Konkurrenz. Schätzungen liegen bei knapp 5000 Franken pro Kilogramm Ladung. Sogar die 14-jährige Falcon 9 von SpaceX ist nur etwa halb so teuer.

Die ESA betont, dass die Ariane 6 strategische Bedeutung hat. Europa will nicht davon abhängig sein, dass die Vereinigten Staaten, Russland oder Elon Musk seine Satelliten befördern. Mit dem Erstflug der Ariane 6 ist für den ESA-Chef Josef Aschbacher klar: «Europa ist zurück.» Aus der Krise sei man raus. Er erklärte aber auch: «Dies ist nur der erste Schritt, wir haben noch viel Arbeit vor uns.» Bereits Ende des Jahres soll die nächste Ariane 6 fliegen.

Dennoch machte die ESA schon vor einiger Zeit deutlich, dass auch Europa in Zukunft auf private, europäische Raumfahrtunternehmen setzen will. Eine von der ESA entwickelte Ariane 7 wird es deshalb wohl nie geben.

Mitarbeit: Alex Kräuchi

Quellen: ESA, S. Corvaja, Bruegel

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